Integration braucht Bildung
Rede unseres Niederräder Genossen Abraham de Wolf
Parteitag der SPD Frankfurt am 30. Mai 2016.
Der noch amtierende Kulturdezernent der Stadt Frankfurt war gestern bei einem CDU Stammtisch. Die Frankfurter Neue Presse zitiert folgende Aussage von ihm in indirekter Rede: „Das Planungsdezernat und das Kulturdezernat gehörten seiner Meinung nach zur CDU, da damit die Zukunft einer Stadt bestimmt wird – beides jedoch haben seine Parteikollegen aufgegeben und der SPD überlassen.“
Ein Sozialdemokrat würde das so nicht sagen. Für einen Sozialdemokraten bestimmen das Planungsdezernat, das Kulturdezernat und das Bildungsdezernat die Zukunft unserer Stadt. Bildung gehört zu den zentralen Anliegen der Sozialdemokratie seit der Gründung, den nur mit einer breiten und solidarischen Bildungspolitik, die sich kontinuierlich modernisiert und heute globalisiert – Frankfurt ist eine globale Stadt – , lässt sich eine Gesellschaft zu einer sozialen Demokratie entwickeln.
Bis sich in Deutschland die Demokratie fest verankert hat – also bis in die 60iger Jahre – ging es darum, aus dem Untertan einen Bürger zu machen. Das ist der SPD gelungen. Nun geht es verstärkt um die Integration derjenigen, die im Bildungssystem vernachlässigt werden und keinen guten Platz in der Arbeitswelt finden. Und um die vielen Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland und Frankfurt gekommen sind. Und deshalb ist es der Ausdruck eines tiefen Verständnisses der dringenden gesellschaftlichen Bedürfnisse nach einer großen Integrationspolitik, wenn Bildungspolitik und Integrationspolitik zusammengeführt werden. Die SPD hat mit der Übernahme des Schuldezernats, also für Bildung und für Integration, eine große Verantwortung auf sich genommen. Die große Integrationspolitik wird auch eine neue Bildungsdebatte auslösen. Denn Bildung ohne Wertevermittlung ist technokratische Wissensvermittlung, aber nicht Bildung.
Hanna Arendt hat 1943 in ihrem Aufsatz „Wir Flüchtlinge“ eine für uns heute wichtige Erkenntnis beschrieben: „Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein. Wir haben unsere Sprache verloren und damit die Natürlichkeit unserer Reaktionen und den ungezwungenen Ausdruck unserer Gefühle.“
Es geht also um einen neuen Beruf und vor allem um eine neue Sprache. Integrationspolitik ist Bildungspolitik. In diesem aktuellen Aufsatz von Hanna Arendt aus dem Jahre 1943 geht es um den Statusverlust als Flüchtling. Der gesellschaftliche Status ist im neuen Land weg. Heute müssen wir an diesem Punkt differenzieren, indem wir ein gutes Angebot der Bildung machen: für die neue Sprache Deutsch und für einen neuen Beruf oder Befähigung den bisherigen Beruf hier auszuüben. Aber den Statusverlust derjenigen, die in einer frauenfeindlichen, autoritären und streng hierarchischen Gesellschaft oben saßen, werden wir nicht kompensieren. Im Gegenteil: wir machen mit Bildung das Angebot der Emanzipation von autoritären Familienstrukturen und Denkstrukturen und zusammen mit dem Lernen für die berufliche Integration, bieten wir die Teilhabe an einer sozialen Demokratie an. Bildung bedeutet deshalb: Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidaritätsfähigkeit. Unsere Bildungspolitik ist an demokratischen Werten ausgerichtet und an den Menschenrechten orientiert. Und das ist Integrationspolitik. Und wenn in der Frankfurter Rundschau heute steht, dass der Grüne Fraktionsvorsitzende Stock behauptet hat, die Sozialdemokraten würden „teuer dafür bezahlen“, dass sie den Grünen das Integrationsdezernat weggenommen hätten, dann zeigt das mir, dass wir in Frankfurt dringend eine Bildungsdebatte führen müssen. Dringend.